Fortbildungen für Lehrkräfte
Im festivalfreien Jahr bietet Open Eyes eine eintägige filmwissenschaftliche Fortbildung für Lehrkräfte an, die es sich zum Ziel gesetzt hat, die Filmkompetenz von Lehrenden zu stärken, damit die Diskussionen, die im Rahmen des Projekts angestoßen werden, auch im Klassenzimmer mit entsprechendem Fachwissen fortgeführt werden können.
Zwischen Ermächtigung und Ausbeutung: Der Dokumentarfilm und seine Protagonist*innen
Staatlich anerkannte Fortbildung für Lehrkräfte mit Filmsichtung am Freitag, den 18.10. von 10 – 16 Uhr, mit einstündiger Mittagspause
Seminarraum, 1. OG im Künstlerhaus, Königstr. 93, 90402 Nürnberg, Eingang über Königstormauer
Seminarleitung: Andrea Kuhn (Festivalleiterin NIHRFF)
Filmsichtung SUBJECT, zu Gast: Margie Ratliff (Protagonistin und Produzentin)
Diese Fortbildung wird überwiegend auf Englisch stattfinden – bei Bedarf kann jedoch auf Deutsch übersetzt werden. Der Film läuft in englischer Originalfassung mit deutschen Untertiteln.
INHALT
Dokumentarfilme, die menschenrechtliche und politische Themen behandeln, boomen und gerade Filme über dramatische Einzelschicksale erreichen im Zeitalter der Streamingdienste oft ein Millionenpublikum.
Solche Filme können eine Möglichkeit für die Menschen vor der Kamera sein, ihre Geschichten mit einer breiten einer breiten Öffentlichkeit zu teilen. Sie können ihre politischen Anliegen vorbringen und, vielleicht zum ersten Mal in ihrem Leben, Selbstermächtigung erfahren, indem sie selbst als aktive Gestalter*innen ihres eigenen Lebens wahrgenommen werden und maßgebliche (politische und soziale) Veränderungen anstoßen können.
Eines der gängigsten Mittel, um das nötige Zuschauer*inneninteresse hoch zu halten, ist eine starke Emotionalisierung, die über die Identifikation mit den zentralen Protagonist*innen eines Filmes funktioniert. Doch dabei stellen sich ethische Grundsatzfragen nach der Verantwortung der Filmemacher*innen: Überwiegt der Drang, möglichst publikumswirksam Geschichten zu erzählen oder die Rücksicht auf die Protagonist*innen und die Folgen, die ihre Darstellung vor einem Millionenpublikum haben kann?
Denn die Auswirkungen von gefeierten Dokumentarfilmen auf die Menschen, die vor der Kamera zu sehen sind, können sehr komplex sein. Welche Wunden kann es reißen, wenn Menschen bei jeder Veröffentlichung eines Films wieder mit ihren alten Traumata konfrontiert werden? Und wie kann die Sicherheit von Protagonist*innen garantiert werden, die sich gegen die politischen Verhältnisse in ihrer Heimat wenden?
Und wie kann man mit solchen Filmen im Unterricht umgehen? Was, wenn Thema und ‚Botschaft‘ genau passt, aber die Behandlung der Menschen vor der Kamera bei genauer Betrachtung bedenklich ist? Anhand dieser medienethischen Fragestellung soll die Medienkompetenz gestärkt werden.
Auch der Dokumentarfilm SUBJECT (USA 2022, 93 Min., englische Originalfassung mit deutschen Untertiteln, Regie: Jennifer Tiexiera, Camilla Hall) stellt sich genau diese grundsätzlichen Fragen anhand einiger erfolgreicher Dokumentarfilmproduktionen. Im Zentrum stehen dabei die Menschen vor der Kamera, die über ihr Leben nach und mit ‚ihren‘ Filmen berichten.
Gemeinsam wollen wir diesen Film im Rahmen der Lehrer*innenfortbildung ansehen und mit der Produzentin und zentralen Protagonistin des Films, Margie Ratliff, diskutieren. Als Teenagerin stand sie vor der Kamera der Dokumentar-Serie THE STAIRCASE und gründete nach ihren eigenen traumatischen Erfahrungen die Documentary Participants’ Empowerment Alliance – eine Organisation, mit der sie zukünftig für größere Achtsamkeit im Umgang mit Menschen vor der Kamera und eine bessere Unterstützung dieser Menschen während und nach dem Dreh kämpft.