NIHRFF 2023
Programm nach Sektionen
Internationale Jury
Ute Adamczewski
Ute Adamczewski arbeitet als Videokünstlerin und Filmemacherin in Berlin. Ihre Videoinstallationen wurden unter anderem auf der Architektur Biennale Venedig, der Shanghai Kunst Biennale und in der Pinakothek der Moderne München gezeigt. Ihre letzten Arbeiten Neue Ordnung (2013) und La Ville Radieuse Chinoise (2015) wurden von den KW-Institute for Contemporary Art in Berlin coproduziert. Zustand und Gelände ist ihr erster Dokumentarfilm und wurde mit der Goldenen Taube bei DOK Leipzig sowie dem ver.di-Solidaritätspreis ausgezeichnet. Beim FID Marseille erhielt er den Prix Premier für den Besten Debütfilm, beim Achtung Berlin Festival 2020 den Preis der ökumenischen Jury. Neben ihrer Arbeit als Künstlerin und Filmemacherin lehrt Ute Adamczewski 2021 als Gastdozentin an der Universität Hildesheim.
Filmografie
La Ville Radieuse Chinoise (The Chinese Radiant City) 2015, Neue Ordnung (New Order) 2013, Zustand und Gelände (2019)
Lemohang Jeremiah Mosese
Lemohang Jeremiah Mosese ist ein bildender Künstler aus Lesotho, der als Autodidakt zum Filmemachen kam und in Berlin lebt. Sein MOTHER, I AM SUFFOCATING. THIS IS MY LAST FILM ABOUT YOU wurde 2018 für den Final Cut in Venedig ausgewählt, wo er sechs Preise gewann. 2019 wurde er im Berlinale Forum uraufgeführt. Mosese war einer von drei Filmemachern, die für das Biennale College Cinema ausgewählt wurden. 2019 feierte sein Spielfilm THIS IS NOT A BURIAL, IT’S A RESSURECTION in diesem Rahmen bei den Internationalen Filmfestspielen von Venedig Premiere. Mosese ist ein Alumnus der Berlinale Talents (2011), Focus Features Africa first (2012), Realness African Screenwriting Residency (2017) und The Cinefondation’s Atelier (2019). THIS IS NOT A BURIAL, IT’S A RESSURECTION gewann er 2021 den Nürnberger Filmpreis der Menschenrechte.
Filmografie
Tears of Blood (2007), Loss of Innocence (2008), Mother, I Am Suffocating. This Is My Last Film About You (2019), This Is Not a Burial, It’s a Resurrection (2019)
Claudia Tosi
Claudia Tosi studierte Philosophie an der Universität Bologna. Sie arbeitet seit 2003 als kreative Filmemacherin für Dokumentationen. 2011 nahm sie an einem Autor*innen-Programm von EAVE teil, 2012 nahm sie als Produzentin an Eurodoc teil. 2014 wurde sie für die IDFA Academy ausgewählt ebenso wie 2015 für die Berlinale Talents, wo sie in der Doc Station Plattform I Had a Dream entwickelte.
Filmografie
Mostar United (2008, NIHRFF 2009), The Perfect Circle (2014), Verso Casa (2016), I Had a Dream (2018)
Preisträger*innen
Der Internationaler Nürnberger Filmpreis der Menschenrechte geht an The Intrusion von Flora Dias und Juruna Mallon.
„Stellen Sie sich einen Ort vor, der sich drastisch verändert hat. Was einst ein Wald war, ist nun ein Dorf, was einst ein Dorf war, hat sich in einen Regionalflughafen verwandelt. Die Dorfbewohner*innen sind in alle Winde verstreut. Stellen Sie sich vor, jemand richtet einen Scheinwerfer auf diese Situation. In ihrem Film „O Estranho“ / „The Intrusion“ porträtieren die Filmemacher*innen die Konflikte, die einem solchen Ort innewohnen. Ihr Film widmet sich den damit einhergehenden menschlichen Erfahrungen: Verlust und Erinnerung; Wiederkehr und Neubeginn. Die Protagonist*innen von „O Estranho“ sind zutiefst von den Transformationen ihrer Umgebung geprägt. Im Alltag haben sie sich an die Gegenwart des Flughafens angepasst. Sie arbeiten dort und haben Freundschaften mit ihren Kolleg*innen
geschlossen. Gleichzeitig suchen sie nach Spuren der Vergangenheit, indem sie nach Steinen als physischen Überresten eines Ortes graben, der einst ihr Zuhause war. Der Film idealisiert Vergangenheit nicht, er verwebt sie mit anderen Erzählungen; denjenigen von den Kämpfen marginalisierter Gemeinschaften. Wir waren berührt von der Beharrlichkeit der Protagonist*innen, von der Kraft ihrer Freundschaft, ihrer Körperlichkeit, Momenten der Leichtigkeit – insbesondere wenn sie tanzen. Wir freuen uns darauf, in Zukunft mehr Filme von diesen talentierten Filmemacher*innen zu sehen. Es ist uns eine große Freude, den Preis für den besten Film des Nürnberger Menschenrechtsfilm-festivals an „O Estranho“ / „The Intrusion“ von Flora Dias und Juruna Mallon zu überreichen.“ Die Internationale Jury: Ute Adamczewski, Claudia Tosi, Lemohang Jeremiah Mosese
Der mit 1.000 Euro dotierte Publikumspreis des Festivals geht an den Dokumentarfilm Vergiss Meyn Nicht von Fabiana Fragale, Kilian Kuhlendahl und Jens Mühlhoff.
Der ebenfalls mit 1.000 Euro dotierte Preis der Open Eyes-Jugendjury geht an den ukrainischen Dokumentarfilm We Will Not Fade Away von Alisa Kovalenko.
Eine Lobene Erwähnung erhielt das Kurzfilmprogramm Menschen können zweimal sterben von Hamze Bytyci.
Der Dokumentarfilm „We Will Not Fade Away“ von Alisa Kovalenko
hat unsere Jury tief beeindruckt und berührt. Dieses Werk zeichnet sich durch seine außergewöhnliche Fähigkeit aus, das Leben junger Menschen , die im Kriegsgebiet Donbas, das im Osten der Ukraine liegt leben, in einer Zeit des Umbruchs und der Unsicherhe it in einer Kriegsregion darzustellen. Alisa Kovalenko zeigt ein bemerkenswertes Gespür für die Persönlichkeit jedes einzelnen und schafft es, ihre Protagonist*innen auf eine einfühlsame und authentische Weise darzustellen. Der Film bietet intime Einblicke in die Träume, Herausforderungen und die innere Stärke der Teenager , während sie sich den traumatischen Ereignissen in ihrem Land stellen. Trotz des
Krieges, in dem sie aufwachsen müssen, lassen sie sich auf die lange Reise ins Himalaya Gebirge ein und bereiten sich voller Vorfreude darauf vor. Die Kameraarbeit und die visuelle Gestaltung des Films sind kraftvoll und einfühlsam. Die eindringlichen Bilder fangen die emotionalen Höhen und Tiefen der Jugendlichen ein und vermitteln dem Publikum eine eindringliche Botschaft über den menschlichen Willen und die Hoffnung. Vor allem die Szenen aus dem Himalaya haben uns sehr beeindruckt und dem Film trotz des schweren Themas eine gewisse Leichte beim Anschauen verliehen. Auch bei langen Landschaftsaufnahmen, die nicht durch Gesprochenes begleitet werden, wird einem nie langweilig und der Film wirkt nie zäh.
„We Will Not Fade Away“ ist nicht nur ein beeindruckendes Porträt junger Menschen, sondern auch ein Aufruf zur Empathie und zum Verständnis für die Herausforderungen, vor denen junge Menschen in Kriegsgebieten stehen. Dennoch steht das Leben jedes einzelnen
Jugendlichen s im Vordergrund und jede Geschichte hat uns auf ihre eigene Art tief bewegt. Insgesamt ist „We Will Not Fade Away“ ein ergreifendes Meisterwerk, das mit emotionaler Tiefe, visueller Brillanz und einer kraftvollen Botschaft glänzt. Wir sind uns sicher , dass dieser Film auch das jüngere Publikum , das diesen Film im Rahmen eines Schulprogrammes sehen kann, bewegen wird und diese über den Krieg, der in der Ukraine schon seit 2014 herrscht aufklären wird. Die Jury ist sich einig , dass dieser Film unser Verständnis für die menschliche Natur und den Kampf für eine bessere Zukunft bereichert und daher höchstes Lob und Anerkennung verdient hat.
Lobende Erwähnung
Zunächst möchten wir hiermit noch einmal die Gelegenheit nutzen, eine lobende Erwähnung auszusprechen für die sieben animierten Kurzfilmbiografien über verfolgte Sinti und Roma während des Nationalsozialismus.
Jeder einzelne dieser Filme hatte einen sehr individuellen und kreativen Kunststil und jeder einzelne unterschied sich somit komplett vom anderen, was uns zeigt, wie vielfältig eine Geschichte doch erzählt werden kann.
Wichtiger noch ist das Thema, dem diese Filme gewidmet sind, denn die Erinnerung an all das, was die Sinti und Roma während des zweiten Weltkriegs durchmachen mussten ist von großer Bedeutung und wir sehen es als unsere Pflicht an, sicherzustellen, dass diese schmerzliche Vergangenheit nicht in Vergessenheit gerät und für ein breiteres Publikum aufgedeckt wird.
Unsere Open Eyes-Jugendjury waren 2023 Aras Celebi, Juliane Leimgruber, Sofia Konoshchenko, Alessandro Stolk, Antonia Strekies. Das Preisgeld wurde von STABILO International gestiftet.